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10 Jahre AGG - Mitarbeit von ARIC-NRW e.V. bei der Evaluation der Antidiskriminierungsstelle des Bundes

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes legt eine Evaluation des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vor. ARIC-NRW e.V. hat dabei seine Erkenntnisse in der Anwendung des AGG aus der Beratung von Diskriminierung Betroffener im Rahmen einer ExpertInnenrunde eingebracht.

Pressemitteilung der ADS zur Veröffentlichung der Ergebnisse:

09.08.2016

Zehn Jahre Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG): Antidiskriminierungsstelle legt Evaluation vor

Zehn Jahre nach Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) spricht sich die Antidiskriminierungsstelle des Bundes für eine Reform des Gesetzes aus. Sie stützt sich dabei auf Ergebnisse eines unabhängigen Evaluierungsgremiums. Demnach müssten Schutzlücken geschlossen werden, damit Menschen wirksamer gegen Diskriminierung vorgehen können.

Bundespressekonferenz - Podium

Pressekonferenz zur Evaluation des AGG Quelle: Kathrin Harms

Konkret sprechen sich die Expertinnen und Experten etwa für eine Ausweitung der Fristen aus, innerhalb derer Betroffene Ansprüche geltend machen müssen. Auch sollten Verbände die Möglichkeit erhalten, Betroffene vor Gericht zu vertreten.

Die Einführung des AGG war ein Meilenstein", sagte die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, bei der Vorstellung der Evaluation. Jede und jeder Einzelne in Deutschland hat seitdem ein Recht auf Gleichbehandlung im Arbeitsleben und bei Alltagsgeschäften. Wenn Menschen dieses Recht durchsetzen wollen, sind die Hürden aber oft zu hoch. Der Schutz vor Benachteiligungen muss effektiver werden.

Nach einer Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat nahezu jede und jeder Dritte in den vergangenen zwei Jahren Diskriminierung erlebt. Seit 2006 haben sich mehr als 15 000 Menschen an das Beratungsteam der Antidiskriminierungsstelle gewandt. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz war am 18. August 2006 in Kraft getreten. Es hat zum Ziel, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. Schwerpunkt ist der Schutz vor Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf, daneben sind im AGG aber auch Vorschriften zum Schutz vor Benachteiligung im Zivilrechtsverkehr verankert.

Mit der Evaluation wurde das Berliner Büro für Recht und Wissenschaft sowie die Rechtswissenschaftlerin Prof. Dr. Christiane Brors (Universität Oldenburg) als wissenschaftliche Begleitung beauftragt. In einer rechtswissenschaftlichen Analyse wurden die Rechtsprechung sowie bestehende Vorgaben des Völker-, Unions- und Verfassungsrechts ausgewertet. Daneben wurden Rechtsanwältinnen und -anwälte, Beraterinnen und Berater, Richterinnen und Richter sowie Verbände zu ihren Erfahrungen, Schutzlücken und Reformbedarf befragt.

Zentrale Ergebnisse:

Frist zur Geltendmachung von zwei auf sechs Monate verlängern
Derzeit müssen Menschen, die Diskriminierung erfahren, ihre Ansprüche auf Schadensersatz und/oder Entschädigung innerhalb von zwei Monaten schriftlich geltend machen. Die Beratungspraxis zeigt, dass daran viele Betroffene scheitern: Sie zögern mit der schwierigen Entscheidung, eine Diskriminierung öffentlich zu machen, oder sind nicht ausreichend über ihre Rechte informiert. Außerdem sei die Frist beim AGG wesentlich kürzer als bei anderen Ansprüchen wie etwa der Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Die Evaluation schlägt daher eine Verlängerung der Frist auf sechs Monate vor.

Klagerecht für Antidiskriminierungsverbände
Betroffene schrecken oft vor den Belastungen zurück, als alleinige Kläger ihre Diskriminierungserfahrungen vor Gericht zu schildern und ihre Rechte durchsetzen. Für einen effektiven Rechtsschutz wäre es daher sinnvoll, die gesetzliche Stellung und die Befugnisse der Antidiskriminierungsverbände auszuweiten: durch eine sog. Prozessstandschaft und ein Verbandsklagerecht, so dass Verbände Prozesse für Betroffene führen können. In anderen Bereichen, etwa dem Umweltrecht, wird dies bereits erfolgreich praktiziert.
Zugleich soll nach Meinung des Evaluationsteams das Mandat der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ausgeweitet werden: Dazu zählt unter anderem ein Akteneinsichts- und Auskunftsrecht sowie die Kompetenz, Betroffene bei Klagen durch Stellungnahmen und Rechtsgutachten vor Gericht zu unterstützen. Vorgeschlagen wird außerdem ein sogenanntes altruistisches Klagerecht in Fällen von grundlegender Bedeutung.

Schutz bei sexueller Belästigung stärken
Sexuelle Belästigung ist nach dem AGG nur am Arbeitsplatz verboten, nicht aber wenn sie zum Beispiel von Vermietern/Vermieterinnen ausgeht oder einer Kundin/einem Kunden in einem Geschäft widerfährt. Der Schutz vor sexueller Belästigung sollte über den Arbeitsplatz hinaus auf alle im AGGgenannten Lebensbereiche ausgeweitet werden. Zugleich wird in der Evaluation ein Appell an die Bundesländer gerichtet, den Schutz vor sexueller Belästigung auch an Hochschulen zu regeln.

Angemessene Vorkehrungen: Barrierefreiheit stärken
Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderung hat sich in Deutschland vielerorts noch nicht durchgesetzt. Dabei ist das Land durch die UN-Behindertenrechtskonvention dazu verpflichtet, „angemessene Vorkehrungen“ im Arbeitsleben und im privatrechtlichen Bereich zu treffen. Die Evaluation empfiehlt, im AGG klarzustellen, dass es eine verbotene Diskriminierung darstellt, wenn Menschen mit Behinderung diese angemessenen Vorkehrungen versagt werden. Damit wäre es im Einzelfall vor Gericht einklagbar, wenn Maßnahmen zur Überwindung von Barrieren für Menschen mit Behinderungen unterlassen werden.

Schutz bei Fremdpersonaleinsatz sichern
Bisher wird beim Diskriminierungsschutz für Fremdpersonal rechtlich mit zweierlei Maß gemessen: DasAGG gilt nur bei „klassischer“ Leiharbeit, nicht aber bei vergleichbaren Situationen von Fremdpersonaleinsatz. Immer häufiger wird Fremdpersonal im Rahmen von Werk- oder Dienstverträgen in einem fremden Betrieb eingesetzt. Im Verhältnis zum Betriebsinhaber besteht kein Schutz durch dasAGG. Dieser fehlende Schutz betrifft vor allem Menschen im Niedriglohnbereich - in nächster Zeit damit voraussichtlich auch verstärkt Flüchtlinge, die in den Arbeitsmarkt einsteigen.

Dreieckskonstellationen im Arbeits- und Zivilrecht
Da nach dem AGG nur der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin haftet, empfiehlt sich eine Konkretisierung der bestehenden Regelungen dort, wo Dritte wie zum Beispiel Personalvermittler tätig werden. Die Beauftragung eines Dritten darf nicht dazu führen, dass die Haftung umgangen wird. Der Gesetzgeber sollte auch klarer formulieren, welche Pflichten Arbeitgeber/Arbeitgeberinnen haben, um Diskriminierungen zu verhindern. Entsprechendes gilt außerhalb des Arbeitsrechts, z.B. im Mietverhältnis gegenüber Maklern/Maklerinnen oder Hausverwaltungen.

Weitere Informationen zu 10 Jahren AGG finden Sie unter www.10-jahre-agg.de

Die Evaluation finden Sie hier:


Quelle

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