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Racial Profiling: Schwarzer verklagt Bundespolizei wegen Diskriminierung
Autoren: Mareike Fangmann und Thomas Mader
Witten/Bochum 14.01.2014
Der schwarzhäutige Dike Uchegbu aus Witten wurde wiederholt am Bahnhof kontrolliert. Nun wurde es ihm zu viel: Er verklagt die Bundespolizei. Hat er Erfolg, könnte das einen Systemwechsel bewirken.
Es ist nicht das erste Mal, dass Dike Uchegbu kontrolliert wird. Am Bahnsteig, im Zug, irgendwo unterwegs in Deutschland. Bitte zeigen Sie mal Ihre Papiere, einfach so – nur weil er schwarz ist. „Normalerweise sage ich da nichts“, erklärt der Wittener später. Doch dieses Mal am Bochumer Bahnhof, am 12. November, macht etwas Klick in dem 38-jährigen Heilpraktiker. „Ich wollte das nicht mehr.“vtbox();
Immer wenn er über den NSU-Prozess las, über die „Dönermorde“, dachte er: „Dazu führt es, wenn sich solche Missverständnisse verfestigen.“ Die Polizei schaut diese Menschen anderer Hautfarbe an und denkt: „Es muss ja so sein.“ Aber es geht auch um ihn persönlich. „Wenn ich mich mit weißen Freunden unterhalte, kann keiner verstehen, wie unangenehm das ist.“ In seinem persönlichen Umfeld muss sich Uchegbu nicht fragen, ob er anders gesehen wird. „Dann komme ich zum Bahnhof. Und dort wird regelmäßig deutlich: Man macht einen Unterschied zwischen mir und den anderen.“ Die Leute sehen die Kontrolle, fragen sich, ob er nicht tatsächlich etwas verbrochen habe.
„Ich war noch nie in Syrien“
Also fragt Uchegbu diesmal nach. „Sie sagten, dass nach Nordafrikanern und Syrern Ausschau gehalten werde.“ Dort war er noch nicht, gibt er zurück. Uchegbu ist Wittener, durch und durch. Sein Vater ist Nigerianer, aber das tut hier für ihn nichts zur Sache. Und statt seine Freundin vom Bahnhof abzuholen, landet er auf der Wache. Das war eine bewusste Entscheidung, sagt er, um die Namen der Beamten zu erfahren.
Denn Dike Uchegbu verklagt nun die Bundespolizei. Er will auf eine Praxis aufmerksam machen, die von Menschenrechtsorganisationen als „racial profiling“ verurteilt wird. Kontrollen aufgrund der Hautfarbe. In den USA und Großbritannien ist dieses Verfahren verboten (was nicht heißt, dass es nicht stattfindet). In Deutschland gibt es so etwas offiziell nicht.
„Der Verdacht ist aus meiner Sicht bösartig und falsch“, sagt Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. Und führt sinngemäß aus, was die Bundespolizei auch schriftlich erklärt: „Geschlecht, Religion, ethnische Zugehörigkeit, Hautfarbe sind für sich genommen keine zulässigen Kriterien für polizeiliche Maßnahmen.“ Die Polizisten würden sich an Kleidung, Gepäck, und „weiteren äußeren Erscheinungsmerkmalen“ orientieren. Das entspricht dem Sinn des Bundespolizeigesetzes, Paragraf 22: Der erlaubt Kontrollen aufgrund von „grenzpolizeilicher Erfahrung“ – also immer.
„Es gibt keine Beweise“, sagt Hartmut Reiners vom Anti-Rassismus Informations-Centrum in Duisburg, „aber wenn ich in Köln auf den Zug nach Amsterdam warte, kann ich zu 90 Prozent davon ausgehen, dass ich kontrolliert werde – wenn ich schwarz bin.“ Der Paragraf 22 durchbreche das rechtsstaatliche Prinzip, nach dem es für eine Ermittlung einen Anfangsverdacht oder Gefahr im Verzug geben muss, heißt es auch in einer Studie des Instituts für Menschenrechte. Es empfiehlt, den Abschnitt zu streichen.
Sein Anwalt hatte schon einmal Erfolg
Genau das wollen Uchegbu und sein Göttinger Anwalt Sven Adam nun erreichen. Tatsächlich hatte der in einem ähnlichen Fall bereits Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht in Koblenz erklärte die Kontrolle eines dunkelhäutigen Architekturstudenten für rechtswidrig. Die Bundespolizei musste sich entschuldigen. Das genügte Adam damals. Nun geht es ums System.
Aus Sicht von Rainer Wendt ist der Paragraf ein „ganz wichtiges Instrument“, grundlegend für „große Erfolge“. „Im Ergebnis wird weniger kontrolliert zugunsten der Reisenden, aber bei einer größeren Erfolgsquote.“ Die Bundespolizei schreibt, sie konnte „dadurch eine erhebliche Anzahl von Straftaten aufdecken und verhindern“.
Vielleicht ist es aber auch entscheidender, wie Gesetze ausgelegt werden, glaubt Hartmut Reiners. „Die Polizisten müssen Anti-Rassismustrainings bekommen. Und die Dienstanweisungen müssen angepasst werden. Wenn zum Beispiel die Rotterdamer Polizei einen Bahnsteig kontrolliert, ist sie angehalten, alle zu kontrollieren, nicht nur welche rauszupicken.“